Anfangs kam er immer wenn es ihm gerade passte, nur mir passte es meistens nicht wenn er kam. Entweder kam er zu früh oder zu spät, oder zu hastig oder zu zögerlich. Selten kam er, wenn ich kam. „Was kann man tun“, dachte ich und da war diese Anzeige einer Hundeschule der besonderen Art. Also hin und erst mal vorsichtig an das Thema heran tasten, ob wir dasselbe meinen. Ja, wir haben uns nicht missverstanden. Die Trainerin legt gesteigerten Wert auf eindeutige Kommandos. Sie müssen klar verständlich und nicht auslegungsfähig sein. Das ist genau das, was ich anstrebe. Sie sagt mir voller Überzeugung, mein Hund würde alles verstehen, wenn meine Kommandos nicht mehr als zwei Worte umfassen. Das leuchtet mir ein, denn Bruce, mein eigen(williger) Rottweiler soll hier ja nicht Grammatik lernen, er soll nur kommen lernen, wenn ich es will. Und nicht wenn „Bruce Will-es“. Das soll endlich vorbei sein, deshalb sind wir hier, in der „Hundeschule für gehobene Ansprüche“.
Die Trainingseinheiten finden nicht auf der grünen Wiese statt, sondern in lauschigen Einzelkabinen Diese „Akademie“ bietet auch noch einen besonderen Service für Damen, die aus räumlichen Gründen nicht in der Lage sind einen eigenen Hund zu halten, oder denen die Hundehaltung laut Mietvertrag untersagt ist. Für sie stehen ausgebildete Hunde verschiedener Rassen und Größen zur Verfügung, — je nach Geschmack und Fassungsvermögen der Kundin.
Aber das brauche ich nicht, ich hab ja meinen Bruce. — Warum soll ich da fremdgehen? Eigentlich bin ich ja mit ihm ganz zufrieden, wenn er bloß besser auf meine Kommandos hören würde. Ich bin ganz zuversichtlich, dass er das auch bald lernt. Man sagt ja, Hunde seien die besseren Menschen und da wird wohl was dran sein. — Mein früherer Mann hat es schließlich auch gelernt, da wird Bruce das sicher auch schaffen. Von meinem Mann habe ich mich getrennt, als es mit seinen Ohren nicht mehr so geklappt hat. Er hat zum Schluss unserer Beziehung meine Kommandos nicht mehr verstanden, er sagte zum Abschied: „Ich möchte auch mal kommen und gehen, wie es mir passt“, und dann ging er.
Bei den Kommandos kommt es nicht nur auf die maximal zwei Worte an, sondern auch wie sie gegeben werden, worauf die Betonung liegt, auf die Tonlage und die Lautstärke. Das ist das Thema der ersten theoretischen Unterrichtsstunde, Bruce und ich hören ganz aufmerksam den Belehrungen der Trainerin zu und wir haben denselben Gedanken, — wann kommt denn endlich der praktische Teil dieses Seminars?
Am folgenden Tag ist es dann soweit. Die Trainerin, ein richtiger maskuliner Kommisstyp, fragt noch vorher die gestrige Lektion ab und als ich fast wörtlich das Gelernte herunter bete, sagt sie: „Gut aufgepasst, dann kommen wir jetzt zum praktischen Teil.“ Als ich mich fertig mache und meine Klamotten ausziehen will, meint sie: „Halt, — halt meine Liebe, sie sind noch nicht dran. Ich werde ihnen jetzt zeigen, wie das Ganze funktioniert“, und dieser Drachen entledigt sich seiner schmuddeligen Kittelschürze, drunter hat sie nichts, nur einen gewaltigen Haarbusch. — Ein richtiges Bauchfell und Schaftstiefel. Sie pfeift auf zwei Fingern und ein zottiges Ungetüm, eine Art Wolfshund, schlürft devot in die Seminarkabine.
Die Trainerin nimmt die vorgeschriebene Ausgangsposition ein, — auf allen Vieren, — und schreit: „LOS — DECKEN“ und das Ungetüm geht in Deckung, unter dem Tisch. Er scheint was falsch verstanden zu haben denn sie schreit: „MICH DECKEN.“ Ah, jetzt hat er verstanden und deckt die Trainerin.
„TIEFER“, kommt das neue Kommando und gleich danach, „FLOTTER“ — und nach ein paar Minuten, — keuchend, „STOPP“ Der Wolfshund reagiert auf alle Kommandos unverzüglich.
„RÜHR DICH“, schreit sie und er rührt sich, „SCHNELLER“ und er fickt schneller. Ich bin beeindruckt von dieser Dressurleistung und kann nicht anders, ich klatsche in die Hände und rufe: „KOMM LANGSAM“ und er kommt, aber nicht in der Trainerin, er kommt zu mir und leckt meine Hand.
Die Trainerin schaut mich wütend über ihre Schulter an: „Mischen sie sich hier nicht ein, ich gebe die Kommandos und sonst keiner“ — „OK Sir, sorry“, und im Kommandoton, „WEITERMACHEN!“
Sofort macht das Ungetüm weiter, es leckt weiter meine Hand. „BLÖDMANN!“, schreit die Trainerin jetzt, aber dieses Kommando kennt er nicht, oder er überhört es aus Höflichkeit. „WEITER DECKEN“, tönt sie und sofort geht diese langweilige Fickerei wieder los. Mir reicht es jetzt, beim Hinausgehen rufe ich: „PLATZ“, aber er platzt leider nicht, sondern schmeißt sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Trainerin, die geht zu Boden und schaut mich an, als ob sie vor Wut gleich platzt. — Hoffentlich, dann hätte sie mein Kommando auch verstanden. Vom Flur aus rufe ich laut: „FEUER“ und höre die Trainerin schimpfen: „Doch nicht in mein Gesicht spritzen, du Blödmann“
Ich weiß jetzt wie es geht, — nur zwei Worte, — unmissverständlich, — mit der richtigen Betonung und der richtigen Lautstärke. Bruce und ich werden das jetzt üben. Nach einer Woche hartem Trainings klappt es. Wenn ich jetzt rufe: „KOMM LANGSAM“, dann komme ich und wenn es Bruce gefällt, kommt er auch, — langsam.
Geht doch, man muss nur wollen — und ich will oft, — und „Bruce Willes“ auch, — sehr oft.