Zurück zum ersten Teil
Orginal by Sheela B.
Lincoln Drive in San Francisco ist wie die meisten anderen Mittelklasse-Wohnorte. Die Häuser sehen alle ähnlich aus, die Vorgärten sind gepflegt und die meisten Fahrzeuge die in den Einfahrten und am Straßenrand parken, sind relativ neu. Cindy und Liz parken ihren dunklen SUV kurz vor Nummer 145, ein modernes, zweistöckiges Haus in Grau mit weißen Linien. Sie klopfen an die Tür und warten bis eine kleinere blonde Frau in einem hellen Kleid und einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, erscheint.
„Ja?“
„Jennifer Rogers?“
„Das war ich mal, nun bin ich verheiratet“, sagt Jenny, „mein Nachname ist Wright.“
Cindy zückt ihre FBI-Marke und sagt: „Dürfen wir hereinkommen? Wir müssen mit ihnen über etwas Wichtiges sprechen.“
Jenny errötet, doch sie lässt die beiden Beamten in ihre Wohnung. Sie gehen direkt in das Wohnzimmer am Ende der Diele, von wo man einen guten Ausblick in den Garten hat. Draußen schläft eine Dogge unter einem Baum.
„Großer Hund“, sagt Liz in einem freundlichen Ton.
„Das ist Roller. Er ist in Wahrheit ein großer tollpatschiger Junge“, sagt Jenny mit verträumten Augen. „Bitte, nehmen sie Platz. Möchten sie etwas trinken?“
„Nein, danke“, sagt Cindy bestimmt, „lassen sie uns auf den Punkt kommen.“
Die Beamten sitzen auf dem Sofa und Jenny gegenüber mit einem niedrigen Tisch zwischen ihnen. Cindy holt ihr Smartphone heraus und öffnet ein Foto, welches sie Jenny zeigt.
Cindy fragt: „Kennen sie diese Frau?“
Jenny lehnt sich nach vorne und sieht sich das Bild von Monica auf dem Bildschirm an. Sie nickt und seufzt: „Monica Alger, ich kenne sie noch aus Somtown. Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Ist alles in Ordnung?“
Jennys gebräuntes Gesicht wird weiß und ihr Kinn beginnt zu zittern. Die Beamten sind überrascht, wie stark ihre Anteilnahme ist.
Liz fragt: „Sie haben sie nicht mehr gesprochen, seitdem sie Somtown verlassen haben?“
Jenny schüttelt ihren Kopf, dann schaut sie auf ihre Hände. „Nach der Vergewaltigungsgeschichte konnte ich niemanden ins Gesicht blicken. Nicht einmal Monica, die ich davor wie ein Schwester geliebt hatte.“
Tränen kullern Jennys Wangen hinab und sie ergreift ein Taschentuch aus einer Box auf dem Tisch, um ihre Augen zu trocknen.
„Ja, das muss ein schreckliche Erfahrung gewesen sein“, sagt Cindy.
„Es kursieren merkwürdige Geschichten über diese Vergewaltigungen“, sagt Liz und beobachtet Jenny genau.
Der Kopf der Blonden zuckt hoch, ihre Augen weiten sich für einen Moment, was den Beamten nicht entgeht. Jenny fragt: „Was für Geschichten?“
„Wir haben mit Tricia Brant gesprochen“, sagt Cindy kalt. „Sie hat uns einiges erzählt.“
Jennys Gesicht wird knallrot, sie steht auf und geht zur Terrassentür in den Garten. Sie schaut nach Roller, der immer noch unter dem Baum schläft. Die Beamten schauen einander an und Liz nickt mit einem leichten Lächeln. Mit dem Rücken zu den Beamten gewandt sagt sie: „Hat sie das?“
Liz fügt hinzu: „Die Bilder vom Café zeigten, dass sie sich dem Jack Russell freiwillig hingegeben haben.“
Cindy hasste es, im Trüben zu fischen wie hier, aber sie denkt, das der Fisch den Köder geschluckt hat. Jenny dreht sich um und schaut sie an, ihr Gesicht nun hart und die Tränen sind weg. Sie zieht ihr Handy aus der Tasche und drückt auf den Bildschirm. Tricia Brants Stimme erfüllt plötzlich den Raum.
„Jenny-Mädchen, Tricia Brant hier aus Somtown“, beginnt Tricias aufgenommene Stimme. „Ich hatte gerade eine dürre rothaarige Schlampe hier, die Dich gesucht hat. Sie war vom FBI, also musste ich ihr Deine Adresse geben. Das war alles, was ich ihr gegeben habe. Sorry, Jenny-Mädchen.“
Jenny setzt sich wieder, ihr Körper entspannt und ihr Blick ist auf die FBI-Beamten fixiert. Sie fragt kalt: „Also was hat ihnen Tricia erzählt?“
Die Beamten schauen sich an, weil sie dabei erwischt sind Jenny weiß zu machen, sie wüssten mehr, als sie zugaben, um Jenny weitere Informationen zu entlocken. Liz lächelte schwach: „Jenny, wir sind nicht daran interessiert, was eventuell oder eventuell nicht danach passiert ist. Das ist erledigt. Wir versuchen nur Monica zu finden.“ Cindy fügt hinzu: „Ihre Familie ist krank vor Sorge und wir befürchten das Schlimmste.“
Jenny fragt: „Bin ich für ihr Verschwinden verdächtig?“
„Um Gottes willen, nein, wir wissen, sie haben Somtown Monate vor ihrem Verschwinden verlassen“, sagt Cindy .„Aber wir wissen, sie beide waren turbulenten Zeit eng verbunden in einer und so eine Verbindung ist schwer zu zerbrechen“, sagt Liz. „Also haben wir gehofft, sie wären in Kontakt geblieben.“
„Ihre Familie versucht verzweifelt sie zu finden“, fügt Cindy hinzu, um sich Jenny schuldig fühlen zu lassen.
Jenny fragt: „Was wäre, wenn Monica nicht gefunden werden will?“
„Warum sollte sie das nicht wollen?“, fragt Liz mit zusammen gekniffenen Augenbrauen. „Wüssten sie einen Grund dafür?“
„Hm, äh, nun, wie ich bereits sagte, ich habe sie seit langem nicht mehr gesehen. Also, nein, ich weiß nichts Genaues“, sagt Jenny wegsehend.
Die Beamten ahnen, dass Jenny genau weiß, warum Monica nicht gefunden werden will und ihr Training fordert von ihnen, weiter auf den Busch zu klopfen.
„Wenn Monica OK ist und sie nicht zu ihrer Familie zurückkehren will, dann ist das OK“, sagt Liz. „aber sie sollte selbst die Wahl haben.“
„Monica hat ihre Wahl bereits getroffen“, sagt Jenny.
Cindy schüttelt den Kopf: „Monicas Mutter hat Krebs und hat nicht mehr lange zu leben.“
Jenny reißt die Augen auf: „Was?“
„Monica zu finden ist wichtig“, sagt Liz.
Jenny starrt auf ihre Hände, ihre Lippen sind zusammen gepresst. Mit einem komischen Gesicht steht sie auf und sagt: „Warten sie hier.“
Jenny verlässt den Raum, geht in ihr Schlafzimmer und öffnet eine Schublade in einem Büro uns sucht nach etwas. Die beiden Beamten sitzen still, sie wollen den Moment, der eine Wendung in diesem Fall bedeutet, nicht verscheuchen. Sie halten ihre Körper aufrecht, alle Sinne geschärft auf die Geräusche und Eindrücke um sie herum. Als Jenny in den Raum zurückkommt, hält sie eine Postkarte in der Hand, die sie Liz übergibt.
„Ich hatte das vor zwei Monaten in der Post“, sagt Jenny.
Die Beamten schauen auf das Bild, ein Bild der gigantische Christus-Statue, welche Rio de Janeiro, Brasilien, überblickt. Sie wenden die Karte und finden nichts weiter als Jennys Adresse darauf.
Cindy starrt Jenny an und fragt: „Das ist von Monica?
Jenny nickt: „Das ist ihre Handschrift.“
Liz fragt: „haben Sie noch andere Postkarten von ihr bekommen?
„Habe ich, aber ich habe sie alle weggeworfen. Diese ist die letzte, die ich bekommen habe.“
„Woher wusste sie, wo sie wohnen?“, fragt Cindy.
„Sie meldete sich bei mir, bevor sie Somtown verließ und ich bot ihr an, hier zu wohnen.“
Und hat sie das Angebot angenommen?“, fragt Liz.
„Nein“, sagt Jenny, den Blick stur auf ihre Hände gerichtet.
„Haben Sie zu anderen Zeiten von ihr gehört? Hat sie ihnen ihre Gründe dafür mitgeteilt?“, fragt Cindy, energisch nach vorne gelehnt.
Jenny antwortet nicht sofort, scheint wieder zu zögern, woraus die Beamten schließen, dass sie die Gründe kennt.
„Nein, sie sagte nur, sie würde weg gehen, um ihren Kopf frei zu bekommen“, sagt Jenny sie immer noch nicht anblickend. „Ich weiß wirklich nichts Genaueres.“
„Danke dafür“, sagt Liz und hält die Postkarte in die Höhe. „Zumindest wissen wir jetzt, dass sie vor zwei Monaten noch gelebt hat.“ Cindy fügt hinzu: „Wenn sie wieder von ihr hören, müssen sie uns das wissen lassen. Hier ist meine Karte.“
Jenny nimmt die Visitenkarte und schaut kurz drauf.
„Ich glaube, wir haben sie jetzt genug genervt, aber könnten in Zukunft noch ein paar Fragen haben“, sagt Liz, als die beiden Beamten aufstehen um zu gehen.
„Es tut mir leid um Mrs. Alger, sie ist ein nette Frau“, sagt Jenny. „Zumindest zu mir war sie immer gut.“
„Hoffen wir, wir finden Monica, ehe es zu spät ist“, sagt Cindy als sie gehen.
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„Wenn der Vater dieser Frau nicht Kongressabgeordneter wäre, wären wir nicht hier“, sagt Cindy sich den Schweiß von der Augenbraue wischend, welche durch die Luftfeuchtigkeit hier in Rio verursacht wird.
„Zumindest haben wir diesen Trip nach Rio machen dürfen, also beschwere Dich nicht“, sagt Liz achselzuckend.
„Ja? Das hier ist das größte Scheißloch der Welt“, sagt Cindy. „Wir können froh sein, nicht ausgeraubt, vergewaltigt oder getötet zu werden.“
Liz lacht über Cindys nachdenkliches Gesicht. „Los, je eher wir hier fertig sind, desto eher kommen wir zurück zum Hotel und zum Pool.“
Sie steigen aus dem ihnen zugeteilten Polizeiwagen mit einem Fahrer namens Carlos, der auch als Dolmetscher dient. Sie gehen in ein Postamt und durch zum Büro des Vorstehers, der bereits informiert ist. Als sie das Büro betreten, sehen sie eine Frau in den Dreißigern da sitzen und auf den Boden starren. Der Vorsteher steht, lächelt und sagt: „Guten Tag, Officers, willkommen in Rio.“ Liz und Cindy schütteln die Hand des Mannes, während Carlos mit verschränkten Armen im Hintergrund bleibt. Der Vorsteher bietet den Beamten zwei strategisch aufgestellte Stühle an. Das Büro ist sauber, nur der typische Rio-Geruch ist in der Luft. Ein saurer Geruch, der die menschliche Unvollkommenheit widerspiegelt, mit den tropischen Temperaturen klarzukommen.
„Danke für ihre Zeit, Mr. Rodriguez“, sagt Liz förmlich. „Wir haben gehört, das Foto das wir ihnen zugeschickt haben, führte zu einigen Informationen.“
Der Manager nickt, sagt aber noch nichts. Er hängte das Bild mit einem Hinweis auf eine Belohnung auf und erwartet nun die seine. Liz stupst Cindy an, die einen Umschlag aus ihrer Tasche nimmt und sie dem Mann reicht. Der öffnet ihn und erblickt einen Stapel Hundert-Dollar-Noten darin. Zufrieden öffnet er eine Schublade seines Schreibtisches, packt den Umschlag hinein und holt ein Foto von Monica heraus, welches er Liz überreicht. Das Bild zeigt Monica noch an der Universität von Somtown, über dem Bild steht in krakeliger Schrift: A bruxa cao. Cindy schaut auf das Bild, dann mit einem Stirnrunzeln auf Liz.
Liz reicht das beschmierte Bild an Carlos und fragt: „Was heißt das?“
Der Postvorsteher antwortet: „Es bedeutet Die Hunde-Hexe.“
„Die was?“, fragt Cindy und zieht ihre Augenbrauen hoch.
„Er hat recht, es bedeutet die Hunde-Hexe“, sagt Carlos. „Ich habe von ihr gehört.“
Die FBI-Beamten drehen sich um und schauen den brasilianischen Polizisten stirnrunzelnd an.
„Sie haben von ihr gehört?“ fragt Liz. „Warum haben sie uns das nicht gesagt?“
Carlos zuckt mit den Achseln: „Ich wusste nicht wie sie aussieht, aber ich habe Berichte gehört über eine verrückte weiße Frau und wie die Hunde sie beschützen.“
Cindy dreht sich wieder um, starrt den Postvorsteher an: „Was haben sie herausgefunden?“
Der Mann verzieht sein Gesicht. „Einige sagten, sie hätten sie bei Chatuba, in der Nähe des Flusses gesehen“, sagt er. „Zurzeit lebt sie wild mit einem Hunderudel. Niemand kann sich ihr nähern, ohne das die verdammten Hunde ausflippen.“
Liz fragt: „Also warum nennen sie hier alle die Hunde-Hexe? Weil sie mit ihnen zusammenlebt?“
„Mehr als das“, sagt die still dasitzende Frau plötzlich.
Die Beamten schauen sie, was den Postvorsteher veranlasst zu sagen: „Das ist Consuela. Sie lebt in Chatuba.“
„Was meinen sie mit mehr?“, fragt Cindy.
„A bruxa cao ist besessen von einem machtvollen Dämon“, sagt Consuela grimmig. „Ihr Körper und ihre Seele gehört den Hunden.“
„Ich verstehe nicht“, sagt Liz, „Gehört?“
Consuela nickt eifrig. „Sie schläft, isst und ähh fick sie sogar. Wenn Du ihr über den Weg läufst, werden alle Hunde, sogar dein süßes Haustier, in Chatuba Dich angreifen. Also haben wir ihr Essen überlassen, um sicher zu sein.“
„Können sie uns zu ihr führen?“, fragt Liz.
Consuela antwortet nicht, also sagt Cindy: „Wir werden sie für ihren Aufwand bezahlen.“
Die Brasilianerin nickt kurz. „Ich kann ihnen zeigen, wo am Fluss gesehen wurde, aber ich weiß nicht, wo sie ist“, sagt Consuela.
Der Postvorsteher sagt: „Die Außenbezirke von Chatuba sind Ackerland, was bis zu den Wäldern und Bergen reicht.“
Consuela nickt: „Da sind sehr viele Höhlen und Orte zum Verstecken und sie meidet die Touristenpfade.“
Cindy fragt: „Sie wissen also nicht genau wo sie ist, nur ein Gebiet?“
„Sim, oficial“, sagt Consuela mit einem Nicken, so dass die Beamten anhand des Tones wissen, dass sie zustimmt.
Liz fragt: „Was ist mit der Stelle, an der sie ihr das Essen hinterlassen? Können sie uns diese Stelle zeigen?“
Consuela schüttelt diesmal den Kopf: „Oficial, Frauen ist es verboten, das Essen dorthin zu bringen, weil, äh, schlimme Dinge dann passieren.“
Carlos fragt plötzlich: „Aber sie kennen jemanden, der uns da hin führen kann?“
„Sim, oficial, das kann ich einrichten.“ Consuela dreht sich zu den beiden Beamten und starrt sie schmerzverzerrt an, ihre Haut wird weiß um die Augen. „Kommen sie ihr nicht zu nahe, Señoras, lassen sie die homens sie einfangen. Por favor, bleiben sie weg von ihr.“
Cindy und Liz schauen einander mit leichtem Lächeln an, dann danken sie ihr für ihre Hilfe.