Family Business
Anfang Juli 2000:
„Ich brauch’ jetzt übrigens auch endlich mal ein eigenes Auto!“ sagte ich genervt zu meinem Vater während dieser am Frühstücken war.
Meine Mutter begann so heftig zu lachen, dass sie den Kaffee aushustete. Mein Vater sah das natürlich anders und meinte nur, dass ich arbeiten sollte wenn ich ein eigenes Auto haben möchte.
„Du kannst doch mein altes Auto haben!“, sagte meine Mutter freudig nachdem sie sich wieder beruhigt hatte.
„Die alte Hämorrhoiden-Schleuder!?“, rutschte es mir entsetzt raus. Die fällt doch schon auseinander wenn man sie bloß anschaut!“
Meine Mutter schaute mich entsetzt an.
„Leon!“, fuhr mein Vater mich an. „Du hast doch jetzt wieder genug Geld! Warum kaufst Du Dir denn kein eigenes Auto!?“
„Weil ich mir lieber wieder ein eigenes Pferd kaufen will!“, antwortete ich genervt und fragte meinen Vater ob ich denn „mal wieder“ die Schlüssel für den Jeep haben könnte.
„Ja…!“, grummelte mein Vater genervt und trank weiter seinen Kaffee.
Ich bedanke mich freundlich und ging aus der Küche. Doch bevor ich aus dem Haus gehen konnte, rief mein Vater mich noch einmal freundlich in die Küche zurück.
„Was ist denn noch!?“, fragte ich leicht genervt.
„Leon…“, begann mein Vater ruhig. „Ich hab’ für die Poggenkroog- und die Neuhofwiese einen neuen Pächter gefunden…“
„Ja und!?“, antwortete ich gelangweilt.
„Könntest Du Dich bitte um die Abwicklung kümmern?“, fuhr er freundlich fort. „Du fährst doch heute eh zum Hof!“
„Ja gut…!“, antwortete ich zögerlich. „Ich mach’ Dir das fertig! Da bekomm’ ich aber einen Schein für!“
Mein Vater grinste mich zustimmend an und machte eine entsprechende Handbewegung, dass er den Deal akzeptierte.
Bevor ich endgültig ging, fragte ich meinen Vater noch wer denn der neue Pächter sei. Mein Vater begann verlegen zu husten.
„Das ist… Walter Fürstenwerth…“, hustete er.
Voller Entsetzen schaute ich meinen Vater an. „Wie bitte…!?“, fuhr es mir entsetzt raus. „Walter Fürstenwerth!? Alter! Diesem Verbrecher!? Diesem Kriminellen hast Du zwei von unseren Wiesen verpachtet!? Alter, nein! Das Geld sehen wir doch bis ans Ende des Universums nicht!“ Dabei machte ich die ganze Zeit den Kopftipper zu meinem Vater.
Mein Vater begann beruhigende Handbewegungen zu machen. „Leon…!“, begann er mich mit lachender Stimme zu beruhigen. „Ich weiß doch was das für ein Arschloch ist! Aber er bezahlt uns für die dreißig Hektar zwölftausend Mark für ein Jahr! Und das in bar! Du weißt doch was das heißt, oder!?“
Ich schaute meinen Vater entsetzt an. „Und Du glaubst wirklich allen Ernstes dass diese primitive Made uns das Geld auch wirklich gibt!?“, konterte ich skeptisch.
Mein Vater grinste mich freudig an. „Glaub’ mir…“, begann er mit einem leichten sarkastischen Unterton. „Der wird Dir das Geld geben! Verlass’ Dich drauf!“
„Und wenn nicht!?“, konterte ich skeptisch.
„Dann wird sich das Finanzamt und der Zoll sich nicht nur mal seine Betriebstankstelle mal ganz genau ansehen, sondern auch den Inhalt von den Tanks seiner ganzen Autos „etwas genauer“ ansehen…!“, grinste mein Vater mir zu.
Ich verstand und begann zu lachen. Dann ging ich aus der Küche, nahm mir die Autoschlüssel vom Schlüsselbrett und fuhr zu unserem Gutshof. Unser Gutshof befand sich im Nachbarort. Ziemlich genau zwölf Kilometer von unserem Haus entfernt.
Meine Eltern hatten das ehemalige „Gestüt Friedrichswalde“ 1997 gekauft. Es bestand aus 120 Hektar Weide- und Ackerland, 120 Hektar Heide-, Ödland- und Moorflächen und 160 Hektar Wald. Zusammen also 400 Hektar, wobei der Wald uns nicht wirklich gehörte, sondern ein Erbpachtverhältnis vom Land war, das meine Eltern beim Kauf mit übernommen hatten. Nennenswerten Zucht- und Pferdebetrieb gab hier es schon seit dem Jahre 1985 nicht mehr. Die Stall- und Wirtschaftsgebäude waren an die Tierklinik verpachtet, in der ich auch meine Ausbildung zum Tierarztassistenten gemacht hatte und an eine Sozialpädagogische Einrichtung, die neben physisch und psychisch kranken Kindern und Jugendlichen auch straffällige Jugendliche und Erwachsene betreute und behandelte. Wir, also meine Eltern und ich, nutzten eigentlich nur das Herrenhaus, die historische Wagenhalle und die alte Försterei. Die 120 Hektar Weide- und Ackerland waren, bis auf einige sogenannte „Randlagen“ wie die bereits schon beiden erwähnten Wiesen langfristig und profitabel verpachtet, die 120 Hektar Heide-, Ödland- und Moorflächen waren bereits schon seit den 1980er Jahren als Landschafts- und Naturschutzgebiete ausgewiesen und anerkannt, wofür wir vom Land und vom Bund auch jedes Jahr eine stattliche Summe Geld bekamen, und den Wald ließen wir von der örtlichen Forstbetriebsgemeinschaft bewirtschaften. Mein Vater nutzte ihn gerne für „Jagdausflüge“ mit seinen nationalen und internationalen Geschäftspartnern.
Obwohl mein Vater schon wer weiß wie lange den Jagdschein hatte und auch ein exzellenter Schütze war und über eine prächtige Sammlung von Waffen verfügte, hat er niemals auf ein Tier geschossen. Das überließ er immer den anderen. Allerdings war er sich auch nie zu fein gewesen, das erlegte Wild aufzubrechen und zu verwerten. „Seine Welt“ war halt das ganze Brauchtumsgehabe drumherum.
Auf dem Hof angekommen, ging ich zuerst ins Büro der Tierklinik und holte mir eine spezielle UV-Lampe, um die Geldscheine zu kontrollieren. Bei der Gelegenheit habe ich den Klinikchef auch gleich gefragt, ob ich vielleicht nicht wieder für ein paar Stunden in der Woche in der Klinik anfangen könnte.
„Klar!“, antwortete Thorsten, der Klinikchef, und gab mir gleich einen entsprechenden Handschlag drauf. „Kannst gleich morgen wieder hier antreten!“
Dann ging ich wieder rüber zur alten Försterei und begann zu warten.
Ich musste nicht allzu lange warten: Schon nach wenigen Minuten fuhr ein roter Mercedes W 124 Kombi die Allee hoch.
Ich seufzte und begann verächtlich an meinen Fingernägeln zu kauen.
Der Wagen fuhr vor und hielt direkt vor den Treppen der alten Försterei. Ein fetter, fast kahlköpfiger Mann in speckiger Lederweste quälte sich ächzend und stöhnend aus dem Fahrersitz und bewegte sich auf mich zu.
Walter Fürstenwerth. 1, 85 Meter groß. Typ adipöser Bauunternehmer kurz vorm Myokardinfarkt finales. Mehrfach vorbestraft wegen Betrug, tätigen Angriff, versuchte Körperverletzung, Beleidigung, Erpressung und Nötigung.
„Ah, der Junior!“, begrüßte er mich schwitzend und stöhnend und reichte mir seine verfettete Hand.
„Haben Sie das Geld mit!?“, fragte ich ihn genervt ohne ihn dabei anzuschauen und kaute weiter an meinen Fingernägeln.
„Ja, ja!“, keuchte er erschöpft und wedelte mit einem Umschlag vor meinem Gesicht herum.
„Gut!“, antwortete ich mit einem falschen Lächeln und nahm ihm mit flinken Fingern den Umschlag aus der Hand. „Dann kommen Sie mal mit rein!“
Stöhnend und keuchend quälte er sich in das Büro der alten Försterei und ließ sich erschöpft in einen von den Sesseln vor dem Schreibtisch sacken.
„Herr Fürstenwerth!“, begann ich streng mit ihm zu reden während ich die Vertragsvorlage heraussuchte. „Wenn Sie bis zum 31. Juli 2001 nicht wieder von unserem Land verschwunden sind, lasse ich Sie verhaften!“
„Ja, ja! Keine Angst! Keine Angst!“, keuchte er beruhigend und las sich den Vertrag durch.
Während sich dieser „adipöse Bauunternehmer“ den Vertrag durchlas, überprüfte ich mit der UV-Lampe jeden einzelnen der Geldscheine aus dem Umschlag.
Während ich die Geldscheine kontrollierte, fragte ich ihn wofür er die Wiesen denn bräuchte, wobei ich die Antwort ja eigentlich schon wusste.
„Die brauch’ ich jetzt für meine dreijährigen Stuten“, keuchte er stolz.
Interessiert horchte ich auf.
Natürlich wusste ich, dass Herr Fürstenwerth neben seinen ganzen dubiosen und fragwürdigen Unternehmen und Geschäften auch eine stattliche Isländer-Zucht betrieb. Das wohl einzige seriöse Unternehmen von ihm.
„Wie bitte!?“, dachte ich überrascht. „Dreijährige Stuten!? Wie geil ist das denn bitte!?
Geil, geil, geil! Die können ja schon!“, dachte ich aufgeregt und sah mich in Gedanken schon im Schein des Mondlichts auf der nächtlichen Wiese zwischen all’ den ganzen jungen Stuten stehen.
Und mit einem Mal konnte ich es gar nicht erwarten das der Alte endlich den Vertrag unterschreibt.
„Und wie viele sind das?“, fragte ich neugierig und mit freudigem Unterton. „Also wie viele wollen Sie auf die beiden Wiesen stellen?“
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