Frau-Tiere Mann-Tiere
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Die Wahrsagerin oder Vorhersagen können sich erfüllen

4.7
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Schon seit ich ein kleines Kind war, hat mich der jährliche Jahrmarkt immer angezogen. Zuerst mit meinen Eltern, später als Jugendlicher, dann als junger Mann. Es war die Atmosphäre, die Fahrgeschäfte und die ganzen Gerüche des Essens. Als ich 14 war, ging ich zum ersten Mal in das Zelt der alten Wahrsagerin. Sie las mir aus der Hand und gab mir eine Vorausschau auf das nächste Jahr. Ich würde die Schule wechseln, sagte sie, da die Hauptschule nichts für mich wäre. Die Realschule wurde es tatsächlich, als sich herausstellte, dass ich auf der Hauptschule unterfordert war. Mit 15 sagte sie mir voraus, dass ich mich verlieben würde, allerdings ohne Erfolg und auch das traf zu. Im Urlaub in Holland auf dem Campingplatz traf es ein, aber sie war Engländerin und die weite Entfernung zwischen Deutschland und UK führte dazu, dass alles zerbrach. Jedes Jahr war ich dann auf dem Jahrmarkt und sie gab mir immer eine Weissagung und jede davon traf ein. Heute bin ich 23, habe die Schule und eine Lehre abgeschlossen, stehe wieder auf dem Jahrmarkt und überlege, ob ich wieder zu der Alten gehen soll. Ach so, dann kann ich mich auch vorstellen. Mein Name ist Nikolas ‚Nick‘ Stein, 23 wie gesagt, 190 cm groß und das bei 82 kg. Meine schwarzen Haare sind schulterlang und ich trage sie meist als Pferdeschwanz, dazu kommen noch rauchgraue Augen. Gelernt habe ich Elektroniker und wurde nach dem Abschluss sogar übernommen. Doch wie das Leben so spielt, ging die Firma Pleite, und so stand ich heute hier auf dem Jahrmarkt, arbeitslos, hatte den Antrag auf Miethilfe und alles andere eingereicht. Ich schaute in meine Brieftasche, in der noch gerade 20 EUR waren, wusste, dass heute der 12. war und erst am 31. wieder Geld auf dem Konto auftauchen würde. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Sollte ich oder sollte ich nicht mein letztes Geld der Alten geben, um zu erfahren, was mich erwartete?

Das Zelt sah aus, wie ich es seit fast 11 Jahren kannte, bunt, mit diversen Flicken darauf, auch das Schild war immer noch das gleiche. ‚Madame de Silver‘ stand da in leuchtenden Farben. ‚Wahrsagen‘ und auch ‚Wünsche können wahr werden‘, nun ja, ich hatte noch nie einen oder mehrere Wünsche ausgesprochen. Leute rempelten mich an, denen anzusehen war, dass es ihnen besser ging als mir. Das sah man schon an meiner Kleidung, eingerissene Jeans, ein T-Shirt mit der Aufschrift ‚Kennen sie den nordischen Gott der Ungeduld – Hammersbald‘ und barfuß. Meine Turnschuhe hatten gestern ihren Geist oder besser ihre Sohle aufgegeben. „Reingehen, oder nicht?“, murmelte ich zu mir selber. „Schuhe kaufen oder reingehen?“ Ein Luftzug schlug den Zelteingang auf, dann fiel der Vorhang wieder zurück und es wirkte, als ob das Zelt selber nach mir winken würde. Eine Person schubste mich nach vorne und so stand ich auf einmal im Halbdunkeln des Zeltes. „Ah, ein Besucher“, murmelte die mir schon altbekannte Stimme, „ein alter Bekannter, nicht? Setzt dich, mein Junge.“ Ich tat, was sie sagte, sah die Kristallkugel auf dem Tisch, die bunte Decke, den Stapel mit den Karten und natürlich den kleinen Beutel, in dem sie die selbst geschnitzten Runen aufbewahrte. Alles war so wie seit 11 Jahren, nur sie, sie schien nicht älter zu werden. Ihr Blick hob sich und dunkle, schwarze Augen sahen mich an. „Ja, ja“, sagte sie, „wieder ist ein Jahr vorbei und wieder bist du hier. Aber diesmal siehst du anders aus.“

Wie unter Zwang begann ich zu erzählen und immer wieder nickte sie, dann: „Was habe ich dir vor einem Jahr gesagt? Geh nicht da hin, es nimmt kein gutes Ende. Aber hört die Jugend auf eine alte Frau? Nein.“ Dabei hatte sie die Karten in der Hand und mischte. „Ich werde dir heute drei Vorhersagen vorgeben, eine davon wird dich noch tiefer fallen lassen, eine wird dich auf den heutigen Weg fortführen und die dritte, nun, die wird dein Leben völlig ändern. Also wähle weise!“ Und damit legte sie die Karten vor mir auf den Tisch. Ich zog drei Karten aus dem Spiel und sie deckte eine Pik 8, den Pik Jungen und das Pik Ass auf. Dann sah sie mich an und schüttelte den Kopf: „Du wirst auf der Straße angesprochen werden, weil jemand dich um Hilfe bittet. Dieser Weg führt dich direkt in deinen Tod.“ Dann zog sie den kleinen Beutel an sich, schüttelte ihn und hielt ihn mir hin. Ich zog drei der Runen heraus und legte sie in ihre ausgestreckte Hand. Dann schloss sie beide Hände darum, ohne sie sich vorher anzusehen, schüttelte sie und ließ die Runen auf den Tisch fallen. Ich konnte die Symbole darauf erkennen, aber ihren Zweck nicht. „Hm“, machte sie, „dieser Weg führt dich zu einem guten Job, du wirst eine sehr gute Position bekleiden, reich, aber auch arm zugleich sein.“ Damit zog sie das Tuch von der Kugel und legte beide Hände daran. Wie immer erschien auf wundersame Weise weißer Rauch, aber diesmal wurde er rot und sogar ich konnte etwas in der Kugel sehen. „So, so“, sagte sie, „eine weite Reise wirst du machen.“ Dabei erblickte ich einen Berg, ein grünes Tal. „Es wird einen großen Wandel geben“, und ich sah auf einer Lichtung ein Rudel Wölfe und Menschen stehen. „Wenn du darauf eingehst, es zulässt, dann wirst du deine einzige wundersame, unsterbliche Liebe finden.“ Damit erlosch die Kugel, der Vorhang flatterte und Sonnenlicht fiel ins Zelt. Ich blickte auf und war alleine. Aber wie sollte so was gehen, gerade saß die Alte doch noch vor mir und jetzt? Alles war weg, das ganze Zelt war leer, kein Tisch, keine Kugel, nur der kleine Stuhl, auf dem ich saß. Ungläubig blickte ich mich um, bis eine Stimme hinter mir sagte: „Hallo sie, was machen sie da in dem Zelt?“

Ich drehte mich um und sah den Sicherheitsdienst des Jahrmarktes im Eingang stehen. „Ich, ich“, stotterte ich, „Madame de Silver gab mir eine Wahrsagung und nun ist sie weg, verschwunden“, setzte ich hinzu. Beide sahen sich an: „Madame de Silver?“, fragte der eine ungläubig, „ich glaube, wir sollten mal einen Alkohol und Drogentest machen, kommen sie mal raus.“ Ich folgte der Anweisung und dann dem Finger, der auf den Aufsteller zeigte. „Wir trauern um Madame de Silver, die im letzten Winter mit über 100 Jahren verstorben ist. Ihr Zelt steht hier zu ihren Ehren und als Erinnerung an eine großartige Kollegin.“ Ich verstand die Welt nicht mehr und schüttelte den Kopf: „Aber ich habe doch die gleiche Aufschrift wie immer gelesen und sie war doch da“, redete ich und verstand nichts. „Kommen sie“, sagte einer der beiden, „gehen sie besser“, und damit brachten sie mich zum Ausgang. Mit gesenktem Kopf ging ich den Weg zurück in die Stadt, immer wieder gingen mir die Wahrsagungen und das Ende durch den Kopf.

Drei Tage später: Ich stand in der Fußgängerzone und blickte gerade in das Schaufenster einer Schuhhandlung, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Als ich mich umblickte, erkannte ich Paul Walter, meinen alten Schulkameraden. Im Gegensatz zu mir war er elegant gekleidet und ließ nun seinen Blick über meine jämmerliche Aufmachung gleiten. „Sag mal, bis du das wirklich, Nick?“, fragte er ungläubig und ich konnte nur nicken. „Mensch Alter, du siehst ja aus als ob du unter die Penner gegangen bis.“ Genau das war nun das Stichwort für meinen Magen, das große Hungergebrüll anzustimmen. „Sag mal, wann hast du denn das letzte Mal etwas Anständiges zwischen die Kauleiste bekommen?“, fragte Paul weiter. „Keine Ahnung“, gab ich betreten von mir, „ich lebe so von der Hand in den Mund“, redete ich weiter. „Na komm, ich lade dich erst mal ein.“ Damit deutete er auf einen Imbisswagen, der in der Nähe stand. Mehrere Bratwürste und einige alkoholfreie Getränke später war ich zum ersten Mal wieder richtig satt und Paul kannte meine Lebensgeschichte. Er schüttelte den Kopf: „Man, du hattest in der Penne so ein kluges Köpfchen und die besten Noten. Ich kann nicht glauben, dass du so abgerutscht bist.“ Er überlegte, dann legte er den Kopf schief und sah mich an: „Pass auf, komm in ein paar Tagen mal zu meiner Firma, ich glaube, dann kann ich dir ein supergeiles Angebot machen.“ Damit zog er eine Visitenkarte aus seinem Anzug und hielt sie mir hin. ‚P. Walter‘ stand da ‚Hoch- und Tiefbau GmbH. Wir planen und bauen alles für Sie‘. Ich nahm sie, sagte erst einmal: „Danke für das Essen“, und auch, „ich werde es mir überlegen.“ „Hey Alter“, sagte er, „ich hab den perfekten Job für dich, der wird dich ganz nach oben bringen“, und damit verabschiedeten wir uns.

In der Nacht erschien die alte Wahrsagerin in meinem Traum und ich hörte sie „Reich aber Arm“ sagen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, da wusste ich, dass ich viel Geld haben würde, aber dafür auch für immer einsam sein würde. Also ging ich zu Paul, dankte für sein Angebot, aber lehnte es dann ab. Klar war er sauer, weil er doch schon so große Pläne für mich hatte. Er warf mich förmlich mit den Worten „Komm bloß nicht wieder angekrochen, ich helfe dir nicht mehr“ aus seinem Gebäude.

Einen Monat später: Wieder einmal verließ ich das Amt und diesmal war, wie erwartet, meine Unterstützung gesperrt worden, da ich mich angeblich nicht genug um einen neuen Job bemüht hatte. Ich hatte immer noch keine Schuhe als ich, halt wie ein Penner aussehend, durch den Stadtpark ging. Auf einer Bank saß ein Pärchen, das ich auf Mitte 60 schätzte und das sich andauernd umsah. Als ich an ihnen vorbeiging, hörte ich die Frau sagen: „Da, das ist der Richtige“, und dann folgten mir Schritte. „Hallo, junger Mann“, sagte dann eine männliche Stimme hinter mir, sodass ich stehen blieb, und mich umdrehte. Beide lächelten mich an, aber es war ein Lächeln, bei dem sich eine Gänsehaut bei mir bildete. „Könnten Sie uns bitte helfen?“, sagte sie dann mit einer sehr leisen und ruhigen Stimme. „Sehen Sie, wir haben hier ein paar Sachen, die wir bei dem Juwelier am anderen Ende des Parks gern verkaufen würden. Aber die Bande dort“, damit zeigte sie auf eine Gruppe, die wie eine Mischung aus Gang und Rockern aussah, „die lungern dort herum, als wüssten sie, dass wir etwas Wertvolles bei uns tragen.“ Da fuhr er fort: „Hier sind zu viel andere Leute, das hält sie davon ab zu uns zu kommen, aber wenn wir in ihre Richtung gehen …“ damit brach er ab. Ich wollte schon zustimmen, da war es, als ob der Wind mir etwas zuflüsterte: „Wenn dich wer um Hilfe bittet, dann wird es dein Tod sein“, und damit war der Wind auch schon wieder stumm. Ich sah beide der Reihe nach an und dann deutete ich auf mich: „Sehen sie, wie ich aussehe und wie viele das sind? Es tut mir leid, aber warum nehmen sie nicht den Weg um den Park herum? Ich kann ihnen da nicht weiterhelfen.“ Beide stießen einige Flüche aus und murmelten was über die Jugend, die auch nicht mehr das war, was sie früher einmal war, dann drehten sie sich um und ließen mich einfach stehen. Ich sah ihnen eine Zeit lang nach, dann ging ich weiter und passierte die Gruppe ohne Probleme. Mein Aussehen gab wohl den Ausschlag, dass sie mich in Ruhe ließen, denn ich war ja noch abgerissener als sie.

Eine weitere Woche später: Ich hatte gerade die Post aus dem Briefkasten genommen und war wieder in meiner Wohnung, als es an der Tür klingelte. Als ich durch den Spion sah, stand davor mein Vermieter und wedelte mit einem Umschlag. Seufzend machte ich auf und er fing sofort mit seiner Rede an: „Also, Herr Stein“, begann er, „ich habe hier vom Amt ein Schreiben, in dem mir mitgeteilt wird, dass die Miete ab sofort nicht mehr überwiesen wird, genauso wie alle Nebenkosten. Aus diesem Grunde habe ich das Recht, sie mit sofortiger Wirkung aufzufordern, die Wohnung zu räumen. Aus Gründen der Menschlichkeit lasse ich ihnen noch 10 Tage, dann sind sie raus, verstanden?“, und damit knallte er mir das Schreiben in die Hand. Ich blickte ihm nach, als er die Treppe hinunterging und wusste, dass sich nun alles gegen mich verschworen hatte. Keine Wohnung, keinen Job, keine Freunde – nichts mehr. Also schloss ich die Tür und dabei überlegte ich schon, was ich noch hatte. Nur einen alten BW-Seesack mit Klamotten, denn alles andere gehörte hier zur Einrichtung. Die Post sagte auch nichts Neues, nur die Bestätigung vom Amt, die eigentlich identisch mit dem Schreiben des Vermieters war. Ich seufzte und dachte an Paul, sollte ich doch betteln, bei ihm anklopfen und um den Job bitten? Wieder klingelte es und ich erhob mich, sah durch den Spion und da standen die beiden vom Jahrmarkt, die vom Sicherheitsdienst. „Was denn jetzt noch?“, dachte ich. „Wollen die mir nachträglich noch eine Strafe aufbrummen, für das Betreten vom Zelt der verstorbenen Wahrsagerin? Also viel schlimmer kann es ja nun nicht mehr werden“, dachte ich mir. „Es kann ja nur passieren, dass ich in den Knast wandere, aber damit wäre wenigstens für eine Zeit, das mit dem Essen und der Unterkunft geklärt“, ging es mir durch den Kopf. Also öffnete ich die Tür und gab ein: „Guten Tag, was kann ich für sie tun?“, von mir. „Sie kennen wir doch“, sagte der eine und der andere meinte: „Der, den wir aus dem Zelt der verstorbenen Madamee de Silver eskortiert haben, richtig?“ Ich nickte: „Wenn sie kurz hereinkommen wollen. Ich werfe nur noch meine restlichen Sachen in meinen Seesack, dann können wir zur Polizei.“ Damit drehte ich mich um und wollte gerade zurück in mein Schlafzimmer, als einer sagte: „Polizei? Warum sollten wir dort hin?“ Ich drehte nur meinen Kopf: „Na ja, ich denke, sie sind gekommen, weil ich eine Art Hausfriedensbruch begangen und sie mich angezeigt haben“, was bei den beiden aber nur ein Kopfschütteln auslöste. „Wir haben beim Abbau des Zeltes hier einen Brief gefunden, der an sie adressiert war. Es steht ihr Name und die Anschrift darauf, nur deshalb haben wir sie so schnell gefunden.“ Damit legte einer ein Schreiben auf die kleine Kommode im Flur, beide nickten mir kurz zu und weg waren sie. Ungläubig blickte ich auf das Schreiben, dann nahm ich es und drehte es unschlüssig in meinen Händen. Ich setzte mich an den Küchentisch, las wirklich meinen Namen und meine Anschrift und dann drehte ich es um. Die Rückseite war mit einem Wachssiegel verschlossen, aus dem mich zur Hälfte das Gesicht einer jungen Frau und eines Wolfes anblickten. Es sah genau so aus wie das, was ich als Tattoo hatte, doch niemand wusste davon, schon gar nicht die Wahrsagerin. Wieder bekam ich eine Gänsehaut, als mir die dritte Vorhersage durch den Kopf schoss: „Mache eine Reise und finde deine unsterbliche Liebe.“ Was ging hier vor? Was sollte das alles?

Ich holte tief Luft und brach dann das Siegel. Ein Brief befand sich darin, ein Flugticket und eine Kreditkarte, ausgestellt auf meinen Namen? Ungläubig starrte ich auf die drei Sachen, dann las ich den Brief. „Du hast die ersten beiden Wege nicht beschritten, nun, dann ist es der Dritte, der dich leiten wird. Finde sie und werde glücklich!“ Das war es. Weiterhin war noch die Anschrift einer Bank hier ganz in der Nähe angegeben. Ich sah auf das Ticket: „Einfacher Flug nach Kanada“ stand da, mehr nicht. Was sollte das, was oder wen sollte ich suchen? Ich las das Schreiben immer wieder, aber da stand weiter nichts. Da sowieso alles egal war, packte ich das Schreiben, Ticket und die Kreditkarte ein, schulterte meinen Seesack und ging. Unten klingelte ich bei dem Vermieter, gab ihm die Schlüssel und verabschiedete mich. Dann ging ich zu der Bank, trat zu einem Berater und legte ihm die Karte vor: „Das habe ich heute bekommen“, sagte ich, „können sie mir sagen, welcher Betrag verfügbar ist, wo sie überall gültig ist und wann sie auf meinen Namen angelegt wurde?“ Er sah mich ungläubig an, dann holte er tief Luft: „Sie wissen nicht, was das ist und wie sie dazu kommen?“, fragte er ungläubig, tippte aber bereits die Daten in sein Terminal ein. Dann sah er abwechseln zu mir und auf den Schirm: „Bitte warten Sie hier“, damit ging er in ein angrenzendes Büro. Nur Minuten später kam ein älterer Mann im Anzug aus einem Fahrstuhl, erst ging er zum Berater und nachdem der auf mich gezeigt hatte, dann zu mir. „Guten Tag“, sagte er, „ich bin Thomas Heinz, der Direktor. Würden Sie mir bitte folgen?“ Damit deutet seine Hand auf den Fahrstuhl. „Oh, vergessen Sie die nicht“, sagte er, als er mir die Karte in die Hand drückte. Als Reflex griff ich danach, stieg in den Fahrstuhl, oben wieder aus und dann stand ich in einem Büro, das größer war als meine ehemalige Wohnung. „Bitte“, damit deutete er auf eine bequem aussehende Sitzecke. „Also, Herr Stein“, begann er, „diese Karte wurde nicht angelegt, man bekommt sie angeboten. Was sie da in den Händen halten, ist eine sogenannte schwarze American Express mit einem unbegrenzten Kreditvolumen. Alles läuft auf einem Konto auf den Kaiman Island zusammen, das auf ihren Namen eingerichtet wurde, und zwar vor knapp 5 Wochen von einer gewissen Madame Maria de Silver. Sie sind ihr Alleinerbe und haben die absolute Vollmacht über ein Vermögen.“ Mein Kopf drehte sich und ich nahm alles nur noch wie durch Nebel wahr. Irgendwie verließ ich die Bank, erreichte den Flughafen und legte das Ticket vor. Keine drei Stunden später saß ich ohne weiteres Aufhebens oder Verzögerung im nächsten Flieger nach Kanada. Hatte ein gültiges unbegrenztes Visum, hatte die erste Klasse und wie auch immer neben mir meinen Seesack und dann musste ich grinsen, als die Stewardess mich ansah. Ich trug noch immer die löchrige Jeans, das Shirt mit ‚Hammersbald‘ und war barfuß. Sie schüttelte den Kopf: „Wenn wir in Kanada landen, dann empfehle ich Ihnen, sich neu einzukleiden, denn sonst wird es empfindlich kalt, Sir.“

Kanada: Kaum gelandet stand ich in der Wartehalle und blickte auf eine junge Frau, die ein Schild in die Höhe hielt „Nick Stein“, stand darauf und so ging ich zu ihr. „Guten Tag“, sagte ich auf Deutsch, bis mir einfiel, wie dämlich das sein musste. Sie konnte doch bestimmt kein Deutsch, doch ein Lächeln erhellte ihre Züge. „Du bist also Nick“, sagte sie in Deutsch mit leichtem Akzent, „ja, meine Oma hatte recht, dich erkennt man sofort.“ Das Schild flatterte zu Boden, als sie die Arme um meinen Hals legte und mich einfach küsste. Nicht auf die Wangen, sondern auf den Mund, dabei drückte sie sich fest an mich. Ich spürte jede ihrer Rundungen und konnte nicht anders als den Kuss zu erwidern. Etwas machte ‚Klick‘ in mir und es war, als ob ich in eine andere Welt eintauchen würde. Sie war mein, das wusste ich genau in diesem Moment. Sie gehörte mir und ich ihr, nichts würde das jemals ändern können. Sie löste sich und ich fühlte sofort so was wie eine Leere in mir aufsteigen. „Isabell de Silver“, sagte sie und ihr Blick nahm mich gefangen, diese Augen, ich kannte sie von der Wahrsagerin. Grau, mit einem Ring aus Gold, genau wie sie. Dazu kamen noch fast 180 cm und das bei geschätzten 70 kg, also ein Leichtgewicht. Die Haare waren dazu perfekt, hüftlang und schwarz, die sie offen trug. „Madame de Silver war deine Oma?“, fragte ich fast ungläubig, worauf sie nickte. „Ja, aber nun komm, wir haben noch eine weite Fahrt vor uns.“ Damit hakte sie sich bei mir unter und wir gingen los. Beim Wagen angekommen blickte ich an mir und an ihr herunter. Wir waren fast gleich angezogen, nur dass ihr Shirt einen Wolf zeigte. „Muss ich nicht erst andere Sachen …“, begann ich, worauf sie den Kopf schüttelte: „Nein, keine Angst, dir wird nicht kalt werden, aber das wirst du bald verstehen.“ Und damit deutete sie auf ihre Füße. Sie war ebenfalls barfuß und dabei war es hier nicht wirklich warm, ich schätze, dass es gerade mal 10 Grad waren.

Drei Tage später waren wir fast am Nordpol angelangt, so zumindest gefühlt, doch es war mir wirklich nicht kalt. „Was bist du, damit dir nicht kalt wird?“, fragte ich. „Und mir auch nicht? Vampire?“ Das brachte sie zum Lachen, bis ihr die Tränen in den Augen standen: „Nein, wie kommst du auf so eine Idee? Natürlich sind wir keine Vampire, so was gibt es nur in Filmen. Wir sind Wolfswandler, also Gestaltwandler und du hast die Gene dazu in dir, deshalb ist dir nicht kalt.“ In meinem Kopf drehte sich alles, als ich versuchte, das Gehörte zu verdauen, doch so ganz gelang das nicht. „Ich bin was?“, fragte ich ungläubig, als eine Stimme in meinem Kopf erklang: „Ja, du hast richtig verstanden“, sagte diese und ich erkannte die altvertraute Stimme der Wahrsagerin. „Isabell ist meine Erbin, deine Gefährtin.“ Damit verschwand die Stimme von Madame de Silver mit einem leisen Heulen aus meinem Kopf. Ich sah Isabell an: „Gefährtin?“, fragte ich und sie sah mich an, ihre Augen nun ganz und gar golden. Die Gegend war einsam, keine Auto weit und breit und so standen wir nur Sekunden später am Straßenrand. Sie fiel regelrecht über mich her und so hatte ich nur Sekunden später ihre Zunge in meinem Mund, ihre Brüste drücken sich an mich. Wie zwei Teenager küssten und knutschten wir, bis sie sich schwer atmend von mir löste. „Ich kann nicht länger warten“, keuchte sie und dann wurde ihr Gesicht länger, mehr in Richtung Wolf und ich sah Raubtierzähne. Längst war mir alles egal und ich leckte und küsste die Schnauze. Dann lag ihr Kopf an meiner Schulter und ich spürte ihren Biss, tief gruben sich die Fangzähne in meine Halsbeuge und alles wurde schwarz um mich.

Langsam wurde ich wach und fragte mich, ob das wirklich geschehen war, als ich erkannte, dass ich außerhalb des Wagens lag, nackt auf dem Boden. Neben mir lag eine Wölfin, doch ich wusste genau, dass es Isabell war, daher drehte ich mich um und sah ihr in die Augen. Sie erhob sich, trabte auf mich zu und dann hatte ich ihre Zunge im Hals. Es war völlig normal, dass sie mich so küsste, und ich erwiderte den Kuss voller Verlangen. Sie leckte sich bis zu meiner Latte und die reagierte sofort. Hart und bereit stand sie da und Isabell hatte mir ihr Hinterteil zugewendet. So leckte und befingerte ich sie auch und spürte, wie nass sie wurde. Ich erhob mich etwas, kniete mich hinter sie und stieß dann langsam in sie. Mit einem wölfischen Heulen kam sie mir entgegen und so wurden wir schneller. Mein Blut rauschte, etwas schoss durch mich hindurch und dann lag ich als Wolf auf ihr, tief in ihr vergraben und gab ihr das, was sie verlangte. Immer noch erregt, konnten wir uns nicht trennen und gingen nahtlos in die nächste Runde über. Irgendwann schwoll meine Erregung ab und es gab wieder dieses Gefühl, dann lagen wir als Menschen beieinander. „So geht es auch“, sagte sie und wir läuteten den Nachschlag ein. Wie lange wir es als Mensch und Wolf trieben, konnte niemand von uns beiden hinterher sagen, doch am Ende lagen wir auf der Rückbank des Wagens und schliefen eng umschlungen ein.

Epilog: Ich erfuhr, dass in dem Tal ein Rudel von Gestaltwandlerwölfen lebte, dass ich, wie Isabell zu einem geworden war und dass wir ein langes Leben hatten. Unerkannt wandelten wir unter den Menschen, halfen denen, die sich nicht selber helfen konnten, und sorgten so nebenbei auch dafür, dass sich die Menschen nicht gegenseitig ausrotteten. Irgendwann wurden wir Eltern und auch unsere Kinder waren stark, mächtig und Wandler. Sie übernahmen unser Erbe, die Verantwortung und so machten wir uns auf den Weg in die Welt. Wie es am Anfang war, auf einem Jahrmarkt, als Wahrsager, und wer weiß, ob man sich nicht irgendwo einmal begegnen wird. Also wenn Sie oder ihr auf ein Pärchen trefft, das Wahrsagen können soll, man sollte nicht immer alles als Spinnerei abtun, denn wer weiß, vielleicht haben sie graue Augen und einen goldenen Rand um die Iris.

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Somit danke ich für das Lesen, freue mich wie immer auf Kommentare, Kritiken und Anmerkungen.
Damit verbleibe ich wie immer mit einer Verbeugung. Ihr / euer BlackDagger

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Ein Kommentar zu “Die Wahrsagerin oder Vorhersagen können sich erfüllen

  1. Einfach ein ‚BlackDagger‘ halt!
    Also super zu lesen, gefühlvoll und amüsant! Den Autor habe ich ganz genau im Blick!! 😉

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Wir sehen uns in der Tradition der storyZOOne, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Tiersexgeschichten aus dem Netz zu sammeln, vor allem von Seiten, die inzwischen geschlossen wurden. Die storyZOOne musste im Mai 2023, nach gut 8 Jahren, selbst ihre Pforten schließen. Die erste Geschichte in der storyZOOne wurde am 16. April 2015 veröffentlicht. Das ist 10 Jahre, 1 Monat(e) und 7 Tag(e) her. Wir konnten alle Geschichten aus der storyZOOne ‚retten‘ und es werden laufend neue Geschichten hinzugefügt.